Schweden halten an Spikes fest

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Karsten
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Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von Karsten »

Ab 15. April gilt in Schweden Sommerreifenpflicht, das heißt, die hierzulande gängigen Reifen mit Spikes müssen von der Straße - es sei denn, der Winter kehrt noch einmal zurück und macht Winterreifen erforderlich. Dieser Unsicherheitsfaktor lässt viele Schweden den Reifenwechsel so lange wie möglich hinauszögern. Bei der Werkstatt von Lars Speicher in Huddinge, südlich von Stockholm, herrscht deshalb Hochbetrieb.

"Winterreifen mit Spikes retten Leben"
Die meisten Kunden kommen schon ab 7 Uhr morgens vor der Arbeit und warten bei einer Tasse Kaffee in der Tiefgarage unter dem Einkaufszentrum von Huddinge, bis einer der Mechaniker in vielleicht fünfzehn Minuten die Reifen gewechselt hat, oder aber sie lassen ihr Auto bis zum Nachmittag stehen und bekommen so lange einen Leihwagen. Wer bei Autoreparatur an Schmiere, Öl und anderen Schmutz denkt, muss in der Werkstatt von Lars Speicher glauben, er habe sich verirrt: In den Wandregalen ist fein säuberlich das gesamte Arbeitsmaterial aufgereiht, die eingelagerten Reifen der Kunden sind in einem Extraraum verstaut, nichts liegt unnötig in der offenen Werkstatt herum. Auf dem Fußboden liegt kaum ein Staubkorn - sobald ein Wagen fertig ist und in einer der Parkbuchten vor der Werkstatt steht, wird der Arbeitsplatz maschinell gereinigt.

Am Vormittag haben die Mechaniker weitgehend Ruhe vor den Kunden, Zeit für alle anderen Reparaturen. Lars Speicher, der die Werkstatt seit mehr als 30 Jahren gemeinsam mit seinem Bruder Per betreibt, erzählt, warum die meisten Kunden sich freuen, dass die lange Zeit der Winterreifenpflicht zwischen dem 1. November und dem 15. April endlich zu Ende ist.

„Die meisten wollen Sommerreifen haben, weil es im Auto ruhiger wird. Die meisten Autos in Schweden haben ja Spikes, was in Deutschland ja seit Ewigkeiten schon verboten ist. Viele wollen mit dem Wechsel bis Mitte April warten, weil der Monat so unberechenbar ist - den einen Tag scheint die Sonne, den anderen schneit es, und dann will man gern seine Spikes haben."

„Leben geht vor guter Luft“

Auf einer Straße in Stockholm hat die Stadt ein Spike-Verbot verhängt: auf der Hornsgatan im Stadtteil Södermalm. Werkstatt-Chef Speicher hat noch nie davon gehört, dass ein Autofahrer Strafe zahlen musste, weil er mit Spikes erwischt wurde. Langsam beginnt auch in Schweden eine Diskussion darüber, wie umwelt- und gesundheitsschädlich Spikes möglicherweise sind, schließlich rauen sie die Fahrbahn auf und sorgen so für die Freisetzung von Staubpartikeln. Diesen Spike-Kritikern gegenüber ist Lars Speicher jedoch skeptisch. Er ist davon überzeugt, dass die besondere Bereifung Leben retten kann.

„Leben geht vor Staub. Wenn eine Stadt ein bisschen staubiger wird, wirkt sich das längerfristig vielleicht auch aus, aber das kann ich nicht überblicken. Wer keinen Staub will, soll auf dem Land wohnen. Das wäre genauso, wie wenn man sich ein Haus am Flughafen kauft und sich dann über den Lärm beschwert. Soll dann der Flughafen schließen? Man kann nicht erwarten, dass sich die Umwelt auf dich umstellt, sondern du musst Verantwortung übernehmen.“

Allround-Reifen zu keiner Jahreszeit ideal

Lars Speicher weist aber auch darauf hin, dass die Spikes wirklich nur etwas für winterliche Verhältnisse auf den Straßen sind. Das Sinnvollste ist seiner Meinung nach, sich an die Empfehlung zu halten: im Winter fährt man mit Winterreifen am besten und im Sommer mit Sommerreifen.

„Ein Winterreifen ist so aufgebaut, dass sich die Gummimischung auch bei sehr niedrigen Temperaturen flexibel hält. Wenn es sehr warm ist, reagiert der Reifen wie Radiergummi, er wird also zu weich. Das ist instabil und verlängert die Bremsstrecke. Dann gibt es noch die Allround-Reifen. Das ist zwar praktisch, weil man keine Reifen wechseln muss, aber sie sind eben auch nie optimal. Bei Booten gibt es die Segler und die Motorboote. Und dann gibt es noch die Motorsegler. Die sind bei beidem nur Mittelmaß, und so ist das mit den Reifen auch.“

(Quelle: Radio Schweden)
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goteborgcity
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von goteborgcity »

Die Spikes verursachen allerdings ein kleines Problem. Da dadurch die Feinstaubbelastung im Winter, vor allem in Stockholm und Göteborg, so hoch ist, dass sie zum einen zu einem gesundheitlichen Problem wird, zum anderen aber weit über der europäischen Norm liegt, ist die schwedische Regierung gezwungen früher oder später Massnahmen zu ergreifen. Ist Schweden nicht in der Lage in den nächsten zwei Jahren die Menge an Feinstaub in den Städten auf die europäische Norm zu reduzieren, so riskiert Schweden ein europäisches Strafverfahren, das das Land nicht gewinnen kann. Das Parlament ist aus diesem Grund bereits dabei ein landesweites Gesetz vorzubereiten, das den schwedischen Autofahrern sehr wenig Freude bereiten wird.
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rufus
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von rufus »

Schweden besteht nicht nur aus Städten,hier oben im norden ohne Spikes zu fahren ist lebengefährlich und wird viel mehr Todesopfer im Verkehr fordern. Eventuell sollten sich die Verbote auf die Städte im Sueden beschränken. Ich bin heute nacht aus Norwegen ueber die Berge heimgefahren,ohne Spikes wäre ich nicht mal aus Norwegen rausgekommen bzw. hätte auf voll vereisten Strassen nicht den Hauch einer Chance gehabt gesund heimzukommen.
alter Schwede
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von alter Schwede »

Nachdem ich nun mein Auto mit den Spikes verkauft habe und mir ein anderes mit Allwetterreifen zugelegt habe, kann ich nur sagen das das fahren mit den Spikes bedeutend sicherer war. Zwar verfügen beide Autos über Allradantrieb, aber das fehlen der Spikes macht sich eindeutig bemerkbar. Fazit - im nächsten Winter kommen wieder Spikes drauf.
Gruß aus dem Värmland Andreas
goteborgcity
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von goteborgcity »

Der aktuelle Regierungsvorschlag betrifft kein Verbot von Spikes im Norden Schwedens, sondern in Städten und in Südschweden, wo gute Winterreifen genau so sicher sind wie Spikes, da sonst alle Alpenbewohner, wo die Unfallhäufigkeit nicht höher ist als in Schweden, sich als bessere Fahrer auszeichnen würden, was ja wohl Blödsinn ist.

Der Feinstaub verursacht in ländlichen Gegenden in Schweden auch kein messbares Problem, was in Städten - auch wegen dem Strassenbelag - eine ganz andere Situation ist. Immerhin könnte man in Stockholm jedes Jahr bei einem Spikeverbot bis zu 30 Leben retten oder verlängern.

Da ein Gesetz jedoch landesweit sein muss, wird jedoch die Lage in Nordschweden mit einbezogen. Ich habe den Text noch nicht im Original gesehen, aber was ich sah, betrifft keine Landstrassen ab Mittelschweden. Dort werden Spikes weiterhin zugelassen sein.
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Norrfan
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von Norrfan »

Hallo, wer in den ländlichen, nicht ganz flachen Gebieten Schwedens im Winter Auto fahren muss, lebt mit Spikes bedeutend ungefährlicher, auch bei sehr vorsichtiger Fahrweise. Ich hoffe sehr, dass man nicht ein derartig umfassendes Verbot ausspricht, sondern sich mal die winterliche Realität im Lande anschaut. Sinnvoll wäre- so finde ich- nur ein Verbot in den Großstädten. Alles andere würde die in S notwendige Mobilität mit dem Auto im Winter kolossal einschränken. Es gibt z. B. gar nicht wenige Arbeitspendler zwischen Süd- und Nordschweden. Wie sollen die dann zurecht kommen?
Auf Einsicht der Gesetzgeber hofft Norrfan
alter Schwede
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von alter Schwede »

Ein Verbot in größeren Städten hätte z.B. für mich fatale Folgen. Wenn ich im Winter mit meinem Imbissanhänger nach Karlstad auf den Markt fahre, dort keine Spikes verwenden dürfte, hätte ich auf dem Weg dahin oder Abends nach Hause erhebliche Probleme. Oder wäre ein täglicher 2 maliger Reifenwechsel eine Alternative ? Für die notwendige Bewegung wäre es angebracht und nicht ungesund. Aber mein innerer Schweinehund ist so riesig.
Gruß Andreas
goteborgcity
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Re: Schweden halten an Spikes fest

Beitrag von goteborgcity »

Eine gestzliche Regelung ist nie gerecht für alle, aber da selbst diejenigen Autofahrer, die nur in der Stadt fahren, auf Spikes nicht verzichten wollen, ist Schweden wegen der europäischen Verordnungen gezwungen eine rechtliche Lösung zu finden. Wenn alle Autofahrer des Landes überlegen würden und überlegt hätten, ob sie Spikes brauchen oder nicht, so wäre die Spikes-Frage nie eine Regierungs-Frage geworden, da einzelne Autos mit Spikes selbst in der Stadt die Feinstaubwerte nicht über die zulässige Grenze heben würden.

Selbst in Stockholm würde es reichen, wenn die Hälfte der Spike-Fahrer auf Spikes verzichten würden, damit es keine Europa-Probleme mehr mit Feinstaub gibt, aber leider ist die Mehrheit der Menschen nicht in der Lage selbständig vernünftige Entscheidungen zu fällen und wartet darauf, dass ein Gesetz sie entmündigt.

Ich weiss nicht, ob Karlstad und andere Städte dieser Grössenordnung ein Spikesverbot einführen müssen, aber bei einem nationalen Gesetz ist es möglich, so unsinnig das auch sein mag, denn in Karlstadt lag der Feinstaubwert noch nie über der zulässigen Grenze. Ich nehme jedoch an, dass es Sondergenehmigungen geben wird, auch wenn diese nur vereinzelt sein werden, so dass Du Dir, Andreas, keine Sorgen machen musst. Für Vertreter, die am Stadtrand dann auf die öffentlichen Verkehrsmittel umsteigen müssen, wird es jedoch keine Sondergenehmigung geben. Aber Schuld daran sind diejenigen, die Spikes fahren ohne dass es notwendig ist. Ich fahre im Winter mit dem Auto, wenn überhaupt nötig (bevorzuge andere Verkehrsmittel), maximal bis zur Höhe Stockholms und habe dazu noch nie Spikes benötigt ... und habe über eine Million Kilometer unfallfrei hinter mir. In Norrbotten, Västerbotten und anderen Gegenden würde ich jedoch, wegen der Strassenlage, Spikes fahren, aber nicht im südlichen Teil Schwedens, zumal Spikes nur bei Eis sinnvoll sind und schon bei Schnee die Unfallgefahr erhöhen.
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