Die wirklichen Schauplätze von Begebenheiten aus Romanen und Filmen zu besichtigen, ist für viele Touristen eine willkommene Gelegenheit, Land und Literatur besser kennenzulernen. Stadtbesichtigungen auf den Spuren literarischer Helden werden immer häufiger. In Ystad gibt es seit langem eine Führung, bei der Kriminalkommissar Wallander im Mittelpunkt steht, in Uppsala ist Kinderbuchheld Pelle Schwanzlos Gegenstand der Erkundungen, in Mariefred besichtigen geneigte Besucher die Drehorte der Inga Lindström Filme und in Stockholm ist die Stadtwanderung über die Millennium-Trilogie und das Leben des verstorbenen Autors Stieg Larsson ein Hit. Radio Schweden ist mitgewandert:
Im Shop des Stockholmer Stadtmuseums im Stadtteil Söder ersteht Gerda Müller die Karte für die Millennium-Stadtwanderung „auf den Spuren von Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander": „Ich hätte gerne den Plan fürs Millennium!"
„Fourty Kronor please! Vierzig. Okay. I give you some change."
„Thank you, Danke!"
Auch wenn die Verkäuferin im Museumsshop eigentlich kein Deutsch spricht, stellt das Museum sich mehr und mehr auf einen internationalen Kundenkreis ein: den Millennium-Stadtplan gibt es in neun Sprachen.
Gerda Müller setzt sich auf eine sonnige Bank vor dem Museum. Die resolute Rentnerin hat früher bei der Kripo gearbeitet und gerade Stieg Larssons Thriller „Verblendung" mit Spannung gelesen. Nun studiert sie den Stadtplan für ihren Rundgang. „Ich muss mir das ganz gründlich überlegen, weil ich die Entfernungen schlecht abschätzen kann. Aber zum Beispiel würde mich das Café sehr interessieren, das Stammlokal, und auch sonst mal ein bisschen Atmosphäre aus der Umgebung schnuppern."
Gerda Müller begibt sich auf ihren Spaziergang. In der Nähe des Stadtmuseums um die Schleuse herum ist der frühere Arbeiterstadtteil Söder durchgreifend saniert und gentrifiziert.
Für das Stockholmer Stadtmuseum hat die Millennium-Literatur einige Veränderungen herbeigeführt, erzählt Filippa Norman, die die Stadtwanderung auf den Spuren von Mikael Blomkvist und Lisbeth Salander für das Museum entworfen hat: „Im Jahr 2008 war Stieg Larsson auf allen Bestsellerlisten. Ich habe den Auftrag, neue Besucher ins Museum zu locken. Mit literarischen Stadtwanderungen zum Beispiel. Die Stadtwanderungen zum Thema Larsson sind ein voller Erfolg!"
Millennium-Ausstellung
In einer Halle des prunkvollen Museumspalastes aus dem 17. Jahrhundert präsentiert Philippa Norman die kleine Millenium-Ausstellung. Hinter Glas stehen schwarze Büromöbel mit blankgeputzten Edelstahlbeinen á la Achtzigerjahre: Telefone, Schwarzes Brett, Zeitschriften und Papierstapel: die Redaktion der Zeitschrift Millennium, in der Krimi-Held Mikael Blomkvist arbeitete. Die Ausstellungsstücke sind die Originalmöbel der schwedischen Verfilmung.
Seit die fiktive Redaktion in das Museum für die höchst reale Stockholmer Geschichte eingezogen ist, hat das Museum seine Richtung geändert, erzählt Philippa Norman: „Das hat uns enorm beeinflusst. Das Stadtmuseum Stockholm galt bis dahin als ein Museum für die Stockholmer. Millennium hat uns auf der ganzen Welt bekannt gemacht! Das Stockholmer Fremdenverkehrsamt hat ermittelt, dass die Millennium-Stadtwanderung für manche Besucher der Grund ist Schwedens Hauptstadt zu besuchen! Wir sind auch von ausländischen Reisearrangeuren für eine Auszeichnung als bestes Reiseziel nominiert worden. Allein das ist phänomenal!"
Wie viele ausländische Reisebüros inzwischen Fahrten mit Millennium-Thema anbieten ist nicht sicher. Auch darüber wie viel Millennium-interessierte Einzeleisende für Übernachtungen, Kneipenbesuche oder Taxifahrten ausgeben, gibt es keine Zahlen. Fest steht, dass das Angebot des Stadtmuseums fleissig genutzt wird.
An den geführten Wanderungen nahmen im vorigen Jahr rund
4 000 Besucher teil. Zusätzlich hat das Museum Millennium-Stadtpläne an Besucher verkauft, die auf eigene Faust auf den Spuren von Lisbeth Salander und Mikael Blomqvist durch Stockholm spazieren wollten.
Größeres Angebot
Dabei könnte das Museum noch wesentlich mehr tun, um Wanderungen und weitere Angebote an den Touristen zu bringen, stellt eine Untersuchung der Universität Karlstad in diesem Jahr fest. Die Studie schlägt vor, das Konzept mit weiteren Artikeln im Souvenirshop, Erlebnissen während des geführten Rundgangs und einer Zusammenarbeit mit bestimmten Geschäften und Gaststätten auf dem Rundgang zu erweitern.
Einem dieser Geschäfte nähert sich Gerda Müller auf ihrem Millennium-Spaziergang: „Ein kleines Stück geradeaus und dann rechts um die Ecke…eine sehr lebhafte Geschäftsstrasse. Ohne Autoverkehr und offensichtlich ein Durchgangsstraße. Denn es sind in beiden Richtungen unendlich viel Fußgänger unterwegs."
Wir gehen bei Seven-Eleven in der Götgatan rein. In diesem Geschäft ließ Stieg Larsson seine Hacker-Heldin Lisbet Salander zu später Stunde einkaufen. „Am Montag den 10. Juni kauft sie Shampoo, Eier, Käse, Brot, tiefgekühlte Zimtschnecken, Kaffee, Teebeutel, eingelegte Gurken, Äpfel, eine große Schachtel Billys Pan Pizza und eine Stange Zigaretten", informiert der Text des Milliennium-Stadtplans.
Pizza und Zigaretten
Hinter der Kasse des gut besuchten Selbstbedienungsgeschäftes steht Linnea Lind. „Es kommt öfter mal vor, dass Touristen mit der Stadtkarte herkommen und sich das Geschäft anschauen", sagt sie. „Einmal wollte jemand wissen, wie die Verpackung von Billys Pan Pizza aussieht. Weil er nicht wusste, was das war. Es kommen auch ganze Besuchergruppen nur um zu gucken. Manchmal kaufen sie auch eine Kleinigkeit."
Inga Lindström
In der Nähe genießen Angela Burmeister und Michael Hafkemeier von einer Parkbank aus den Blick auf das Wasser und die Stadtsilhouette. Die beiden sind morgens mit einem Kreuzfahrtschiff zu einem Kurzbesuch in Stockholm angekommen: „Ich habe hier schon mehrere Besuche gemacht und bin immer wieder ganz begeistert über diese Stadt und ihr urbanes Flair. Es hat hier wirklich hohen Freizeitwert." Michael Hafkemeier interessiert sich besonders für Seeschifffahrt und das Wasamuseum, das streng an die Wirklichkeit hält.
Schönliteratur oder Fernsehserien mit der musealen Realität zu vermischen, so wie das Stadtmuseum es tut, gefällt Hafkemeier weniger. Und dass man in einigen Städten Besuche auf den Spuren der deutschen Fernsehserie Inga Lindström machen kann ist gar nichts für ihn. Mariefred und Strängnäs zum Beispiel bieten Karten zu entsprechenden Stadtbesichtigungen an. „Na ja, die Landschaften sind immer sehr schön dargestellt. Ansonsten denke ich, dass diese Sendungen und diese Art von Literatur mehr für eine andere Zielgruppe bestimmt sind."
Walanderwanderung
Auch Angela Burmeister wehrt beim Thema Literaturturismus zunächst ab: „Wenn ich nur einen Tag hier bin, dann möchte ich auf eigne Faust etwas von der Stadt ansehen. „Eine Stadtbesichtigung auf den Spuren der Bilderbuchkatze Pelle Schwanzlos in Uppsala findet Angela Burmeister weniger attraktiv, aber eine Wallanderwanderung im südschwedischen Ystad zum Beispiel würde sie reizen: „Also Ystad, ich kann mir vorstellen, dass es etwas überlaufen ist, ich habe schon viel darüber gelesen, dass solche Führungen stattfinden, aber da ich mir das auch gerne im Fernsehen anschaue, würde ich dort auch gerne mal mit fachkundiger Führung rumlaufen."
In Stockholm läuft Gerda Müller auf den Spuren von „Mikael Blomkvist und Lisbet Salander weiter und kommt schließlich zu Mellkvist Kaffebar, einer Schnittstelle von Wahrheit und Dichtung. „Mikael Blomkvists Stammcafé", ersieht die Besucherin aus dem Text des Stadtplans. „Das Café war auch der Stammplatz von Stieg Larsson in den 1990er Jahren, als die Redaktion von Expo im selben Haus lag."
Was trank Stieg Larsson?
Die Sitzplätze auf den sonnenbeschienen, einfachen Holzbänken vor dem Café sind fast alle besetzt. Aber Stieg Larsson saß meistens drinnen auf einem der Barhocker am Fenster und schaute in das Verkehrsgewimmel der vielbefahrenen Einkaufsstrasse Hornsgatan hinaus, erzählt Barista Kristoffer: „Es kommen Touristen hier rein und wollen wissen, wo Stieg Larsson immer gesessen hat. Manche möchten genauso Kaffee trinken wie er es tat. Aber nicht alle bestellen was. Viele kommen einfach nur um zu gucken, weil unsere Kaffeebar ein Teil der Stadtwanderung ist. Sie fragen immer wieder nach Stieg Larsson."
(Quelle: Radio Schweden)
Literaturtourismus: Auf den Spuren von...
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