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Sex unter Minderjährigen in Schweden bestrafen oder nicht?

Verfasst: 3. April 2012 15:48
von Karsten
Das schwedische Sexualstrafgesetz geht an der Wirklichkeit vorbei. Das betont der frühere schwedische Justizminister Thomas Bodström. Im Blick hat er sexuelle Beziehungen unter Jugendlichen, bei denen mindestens ein Part unter 15 ist. Nach dem im Jahr 2005 verschärften Gesetz können die Jugendlichen wegen sexueller Übergriffe verurteilt werden, auch wenn beide dem Kontakt eindeutig zugestimmt haben. Gemeinsam mit dem Landesverband für sexuelle Aufklärung, RSFU, fordert Bodström jetzt eine rasche Überarbeitung des Gesetzes.

Mit der Initiative wolle man nicht grundsätzlich Sex mit Minderjährigen Tür und Tor öffnen, betont RFSU-Generalsekretärin Åsa Regnér. „Natürlich können in diesen Altergruppen Übergriffe vorkommen, darum geht es uns hier nicht“, betont sie. „Wir wenden uns gegen die Tatsache, dass junge Menschen strafrechtlich belangt werden in Fällen, wo es sich um freiwillige Beziehungen zwischen Personen handelt, die altersmäßig nahe beieinander liegen und von denen einer etwa vierzehneinhalb Jahre alt ist.“

Als damaliger sozialdemokratischer Justizminister war Thomas Bodström maßgeblich beteiligt, als das alte Sexualstrafgesetz überarbeitet wurde und 2005 den jetzt geltenden Regeln Platz machte. Jegliche sexuelle Kontakte mit Personen unter 15 werden demnach als Vergewaltigung oder zumindest als sexuelle Ausnutzung von Minderjährigen rubriziert. Allerdings war man sich schon damals im Klaren darüber, dass viele Jugendliche erste sexuelle Erfahrungen auf eigenen Wunsch hin schon früher machen. Um junge Paare von den neuen, strengen Gesetzen auszunehmen, wurden daher in das Paragraphenwerk bestimmte Ausnahmeregeln eingebaut.

Ausnahmeregeln ohne Wirkung

„Es ging darum zu verhindern, dass ältere Menschen Kinder und Jugendliche unter 15 ausnutzen“, betont Bodström, „und dass wir diesen Schutz haben, ist sehr wichtig. Aber die Gesetze sollten nicht zwei junge Menschen treffen, die einvernehmlich Sex haben.“

In einem wegweisenden Urteil zu einer freiwilligen sexuellen Beziehung zwischen einem 17-Jährigen und einer 14-Jährigen entschied denn auch das Oberste Gericht im Jahr 2007 , keine Strafe zu verhängen. Gleichwohl zeigten mehrere Urteile aus den vergangenen Jahren, dass Gerichte von den Ausnahmeregeln absähen, betont RFSU-Generalsekretärin Regnér: „Es gibt Urteile, wo beide Beteiligten altersmäßig sehr nahe beieinanderlagen und wo man trotzdem entschieden hat, als wenn es sich um ein Verbrechen handelt.“ Derzeit liefe eine Reihe ähnlicher Prozesse, auf deren Ausgang man gespannt sein dürfe – trotz des Grundsatzurteils des Obersten Gerichts.

Dass das Gesetz möglicherweise zu kompliziert formuliert ist, glaubt Åsa Regnér nicht: „Wir finden, die Bestimmungen um Ausnahmeregeln sind im Gegenteil sehr deutlich. Offenbar funktioniert das Gesetz aber trotzdem nicht, wie es gedacht war – daher ist es wichtig, es einer Revision zu unterziehen.“ Thomas Bodström glaubt, die Arbeit von Polizei und Rechtswesen spiegele vielfach auch Veränderungen im Zeitgeist wider: „Eine Art Moralisieren hat sich eingeschlichen, die Auffassung, wonach Jugendliche keinen Sex haben sollten. Wir finden, das ist eine Frage, die diese Jugendlichen selbst und ihre Eltern etwas angeht. Andere können dazu ja durchaus ihre Meinung haben, aber es darf nicht so weit kommen, dass diese Meinungen eine Frage für Polizei und Staatsanwaltschaft werden.“

(Quelle: Radio Schweden)