Religiöse Verhüllung in schwedischen Schulen - Lob und Tadel

[Karsten]

Der Beschluss der Schulbehörde, wonach Lehrer künftig nach eigenem Ermessen Schülern das Tragen von religiös motivierten Gesichts- und Ganzkörperverhüllungen bei bestimmten Gelegenheiten untersagen können, hat nicht zuletzt unter den Lehrern konträre Reaktionen ausgelöst. Die Vorsitzende des Lehrerverbandes, Eva-Lis Sirén, begrüβte die am Mittwoch veröffentlichte Entscheidung. Die Lehrer hätten nunmehr ein notwendiges Werkzeug, um die Qualität des Unterrichts aufrechtzuerhalten und gefährliche oder erschwerende Situationen zu vermeiden. Die Vorsitzende des Landesverbandes der Lehrer, Metta Fjelkner, bezeichnete den Beschluss hingegen als unhaltbar.

Die Möglichkeit individueller Entscheidungen werde zu unnötigen Konflikten zwischen Schülern und Lehrern führen. Nötig seien stattdessen klare Richtlinien auf Schul- beziehungsweise nationaler Ebene, so Fjelkner. Die Schulbehörde selbst hat Risiken willkürlicher Entscheidungen einzelner Lehrer eingeräumt und ein behutsames Herangehen angemahnt. Schulminister Jan Björklund bewertete den Beschluss positiv. Er gebe den Schulen den nötigen Handlungsspielraum und ermögliche ein Verbot in Fällen, in denen Kontakt und Zusammenarbeit im Klassenzimmer andernfalls erschwert würden.

(Quelle: Radio Schweden)

[uevie]

Ich finde es unsinnig, die Frage "Verhüllung aus religiösen Gründen" die Lehrer selbst entscheiden zu lassen. Das gibt böses Blut.
Ein generelles Verbot religiöser Bekleidung, Verhüllung, Kopfbedeckung usw wäre ein Zeichen in die richtige Richtung!
Jeder kann, auch in Schweden, seine Religion nach freier Entscheidung ausüben.
Aber eben zu Hause oder in den jeweiligen "Versammlungs-Räumen".

[cca361]

Ich finde wenn ich in ein fremdes Land Ziehe habe ich mich auch den dortigen Gepflogenheiten anzupassen. Was jeder zu Hause tut geht keinen was an (natürlich im Rahmen der Gesetze).
Wem das nicht passt der kann sich ja ein anderes Land suchen.

[goteborgcity]

Hej,

die Lehrer können auch in Zukunft keine Ganzkörperverhüllungen beim normalen Unterricht verbieten, sondern dürfen es nur dann tun, wenn die Verhüllung eine Kommunikation unmöglich macht oder die Verhüllung (im Chemielabor) eine Gefahr für den Schüler ausmacht.

Da es jedoch keinerlei klare Regelung gibt, wann und unter welchen Umständen es gefährlich wird oder eine Kommunikation als unmöglich betrachtet werden kann, wird es sicherlich zu unzähligen Prozessen kommen, wenn Lehrer individuell ihre Rechte durchsetzen wollen.

@cca361
Auch wenn ich bis zu einem gewissen Punkt zustimme, so darf man nicht vergessen, dass es auch viele vorübergehende Asylanten aus Krisengebieten in Schweden gibt, die wieder zurückkehren wollen. Warum sollte man einer Gruppe, die nur vorübergehen vor Mord und Totschlag im eigenen Land floh, vorschreiben, wie sie ihre Religion in der Zwischenzeit ausübt? Soll man dafür Ghettos schaffen oder Toleranz zeigen? Noch vor 50 Jahren konnte man auch bei katholische Nonnen nur das Gesicht sehen und niemand fand das merkwürdig. Man darf nicht nur einen Moment betrachten, sondern immer eine ganze Epoche und eine Entwicklung. In Schweden hat die Christianisierung rund 500 Jahre gedauert und in dieser Zeit existierten mehrere Götter und Brauchtümer nebeneinander.

Viele Grüsse aus Göteborg

Herbert

[calle]

Es ist auf alle Fälle ein relativ einfacher Weg für den Mensch, Wünsche und Probleme mit dem Gegenüber durch Gesetze einfordern zu können.
Wenn man Lehrern individuelle Entscheidungen bei Ihren Schülern einräumt, führt das selbstverständlich bei dummdreister Ausführung zwangsläufig zu Konflikten - auf beiden Seiten.
Dieser Vorschlag dass ein Lehrer nach eigenem Ermessen handeln kann scheint mir ja wohl eher ein Appell an die Menschlichkeit im Menschen zu sein. Jeder Verhüllte, Kopftuchträger ist schließlich individuell, und sollte wohl auch so behandelt werden dürfen.
Außerdem gehört Mut dazu, zu seiner eigenen Meinung zu stehen, ohne sich hinter ein Gesetz verstecken zu können.

Gruss Calle